Vom Klang des Körpers – Zwischen Zimbeln, Drums und Klangschalen
„Jeder Atemzug drückt Euch tiefer auf den Boden. Ihr spürt, wie sich der Bauch hebt und senkt.“ Auf Kissen und Iso-Matten liegen die Schüler mit geschlossenen Augen auf dem Boden des Schüler-Cafés der Montessori-Schule und lauschen ihren Atemzügen und spüren die Luft, die ihren Bauch füllt. „Ich habe Euch eine Überraschung mitgebracht“, hören die Kinder die Stimme der jungen Frau. Dann legt sie jedem Schüler, einem nach dem anderen, eine Klangschale auf den Bauch und schlägt sie mit einem Schlägel leicht an. Ein summender Ton klingt hell durch den Raum und ein sanftes Vibrieren durchströmt den Körper, dringt in jede einzelne Zelle und versetzt sie in wohlig massierende Schwingungen. Lange hallt der Ton nach und die prickelnden Wellen dehnen sich aus bis in die Fußzehen und äußersten Haarspitzen. Tina Molle geht vorsichtig von einem Schüler zum andern, setzt ihm eine Klangschale auf den Bauch und bringt sie mit dem Schlägel zum Schwingen. Dabei beobachtet sie, wie die Kinder dieses Gefühl genießen, dass sie langsam aus dem „Schlaf“ zurück ins Leben bringt.
Zusammen mit Carolin Philippi ist sie am 16. und 17. November 2015 an der Montessori-Schule und wird zusammen mit Schülern der fünften, sechsten und siebenten Klasse ein Percussion-Erlebnis wagen. Percussion ist alles, was mit Rhythmus zu tun hat, erklärt Tina. Bis 2009 war sie selber Schülerin an dieser Schule und absolvierte hier ihren Realschulabschluss. Später legte sie das Fachabitur in Chemnitz ab und begann anschließend zu studieren. Erst in Freiberg, inzwischen in Regensburg, wo sie „Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Tanz und Musik“ belegt. Derzeit konzentriert sie sich auf das Gebiet der Rhythmuspädagogik.
Die beiden jungen Frauen starten mit Spielen zum Kennenlernen und beziehen dabei auch die Pädagogen der Klasse mit ein. Doch es geht nicht nur um das Kennenlernen der Personen, sondern auch der Instrumente und davon haben sie vielfältige Beispiele mitgebracht. Alles, womit man Rhythmen erzeugen kann, ist willkommen. Verschiedene Arten von Rasseln und Trommeln, Xylophon, Klanghölzer und Klangfrösche bis zu exotischen Zimbeln und einer indischen Shrutibox. Die Auswahl ist vielfältig und stößt auf Interesse bei den Schülern. Die einzelnen Instrumente werden vorgestellt und ausprobiert. Welchen Klang erzeugt die Trommel, wenn man mit den Fingerspitzen auf den Rand schlägt? Wie verändert sich der Ton, wenn aus den Fingerspitzen die ganze Hand wird und sie langsam in die Mitte des Trommelfells wandert? Wie kann man noch Töne aus einer Trommel hervor kitzeln? Wie entstehen daraus Rhythmen? Plötzlich harmonieren die unterschiedlichen Instrumente miteinander. Die Trommeln dominieren mit einem stampfenden Grundschlag, die Rasseln bilden einen breiten Klangteppich, Klangfrösche geben dem Stück eine exotische Färbung, Schnipsen und Klatschen durchbrechen den Rhythmus und bilden fast eine Art übergeordnete Stimme. Aus dem Probieren ist ein Chor geworden, aus dem Chaos, durch die Leitung von Tina und Caro, eine harmonische Einheit.
Das Zwei-Tages-Projekt wird überschattet von terroristischen Bombenanschlägen in Paris wenige Tage zuvor, zu deren Gedenken und Solidarität mit den Opfern und Angehörigen eine Schweigeminute in der Schule zelebriert wird. Spontan üben die Schüler das afrikanische Stück „Baba la gumbala“ ein. Das Lied zum Lobpreis, um die Schöpfung und Existenz zu feiern, wird mit Instrumenten vor der versammelten Schule gesungen und gespielt.
Das wichtigste Instrument ist jedoch der eigene Körper, der im Verlauf der beiden Tage erforscht wird. Welche Töne und Klangmodulationen können mit ihm erzeugt werden? Klatschen, Schnipsen, Stampfen, Zunge schnalzen, ein Schlag auf die Knie, zwei auf die Brust, dazu eine Bewegung im Kreis im Takt der Trommel, die Tina mal mit den Fingerspitzen, mal mit der ganzen Handfläche schlägt. Die Kinder erhalten ein Gefühl für die Feinheiten der Rhythmen und der unterschiedlichen Klangfarben eines Instruments.
Die meiste Freude bereiten die Spiele zwischendurch, wie das Formen-Memory. Dabei verstecken die Kinder Schlägel, Sticks und kleine Rhythmusinstrumente hinter ihren Rücken. Immer zwei von jedem Exemplar sind unter den Kindern verteilt. Einer beschreibt durch Tasten und Fühlen, den eigenen Gegenstand. Die übrigen Kinder müssen erraten, wer das Gegenstück in den Händen hält.
Der Workshop wird zu etwas Besonderem vor dem Hintergrund, dass hier eine ehemalige Schülerin vor den Kindern steht. Sie ist in ihrer Kindheit und Jugend an dieser Schule geprägt worden, ist später in die Welt hinaus gegangen, ihren Weg zu finden. Nun ist sie wieder zurück, den nachfolgenden Generationen etwas zu geben, dass ihnen Perspektive und Orientierung sein kann. Mit Erfolg. Die Schüler sind begeistert. Sie summen und klatschen, schnippen und trommeln. Sie sind gezwungen auf den anderen zu hören, sich selbst zurück zu nehmen und mit den Mitschülern eine Einheit zu bilden. Und sie sind sich einig, dass sie dieses Projekt mit Tina und Caro gern wiederholen möchten.
Und Tina? Sie geht wieder hinaus in die weite Welt und hinterlässt ein wenig das Gefühl der Bestätigung für unsere Schule, die die Kinder auf die Welt da draußen vorbereiten, ihnen Halt geben und ein positiver Meilenstein im Leben sein möchte. In der Hoffnung, dass sie eines Tages gern Heim kehren, um etwas zurück zu geben von den Schätzen, die sie in der Ferne gefunden haben.
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Veröffentlich in der Kategorie "Oberschule" am 19.11.2015