Von springenden Hammeln und der Aura der Macht
Am 4. April 2019 besuchten Schüler aus dem Gymnasium und der Oberschule der Montessori-Schule Chemnitz den Bundestag in Berlin. Der Bundestag ist das Parlament der Bundesrepublik Deutschland und tagt mitten im Herzen Berlins im Reichstagsgebäude. Dort werden Gesetze diskutiert und beschlossen. Das Reichstagsgebäude ist über 100 Jahre alt und strahlt die Würde eines vornehmen Sicherheitstraktes aus.
Um in den Bundestag hereinzukommen, wurden alle gefilzt und gecheckt. Ausweisfreie Pappnasen wurden von der Security nur murrend und widerwillig durchgelassen, aber zum Glück strahlen Montessori-Schüler Vertrauen aus. Unser Programm: Wir aßen wie die Politiker (in einer Kantine, moderat schmackhaft), hörten ihnen beim Debattieren zu (im Plenarsaal, moderat sachlich) und sprachen mit Frank Heinrich, dem Chemnitzer Bundestagsabgeordneten von der CDU (moderat duzend).
Dabei wurde unsere Gruppe immer bewacht, damit sich ja keiner verläuft. (Keine Sorge: Es klappte.) Schließlich wurden wir durch unterirdische Gänge geschleust, wo die Aura der politischen Macht uns kalt und angsteinflößend anwehte. Wir überlebten und konnten uns unter Vermeidung jedweden Geräusches unsichtbar und andächtig auf die Tribünen des Plenarsaals setzen, um einer Bundestagsdebatte zu lauschen. Aber, Pustekuchen! Der Bundestag war mit einem Hammelsprung beschäftigt: Wenn die Mehrheitsverhältnisse nicht eindeutig sind, müssen alle Abgeordneten den Saal verlassen. Erst wenn alle draußen sind, dürfen die Abgeordneten wieder eintreten durch eine von drei Türen, die für „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ stehen. Die Parlamentarier bummelten, plauderten und hingen am Handy, so dass sich alles in die Länge zog. Auch wenn wir uns springende Hammel dynamischer und wilder vorgestellt hatten, so herrschte allgemeine Freude über so viel Action und Randwissen.
Wenigstens etwas Debatte konnten wir uns anhören: Es ging um ein soziales und vor allem abgesichertes Leben in Europa, die Parteien waren sich uneins und die Redezeiten wurden streng kontrolliert. Die Politiker erwartete ja an diesem Tag noch ein Programm bis 2 Uhr nachts.
Im anschließenden Gespräch mit Frank Heinrich diskutierten wir über Artikel 13 und darüber, wie passend es ist, sich zu einer Klimaschutzdemonstration mit dem Auto fahren zu lassen. Ein komischer Kauz namens Sokrates unterhielt sich kurz mit Frank Heinrich, stellte ihm aber enttäuschenderweise keine Frage, ja wies ihn nicht mal auf sein eigenes Nichtwissen hin.
Am Ende erklommen wir den Gipfel der Macht und blickten stolz auf unsere Ländereien, d. h. wir gingen hoch zur Glaskuppel und schauten auf Berlin. Die Sonne schien schön, denn wenn die Montessori-Schule Chemnitz zu Gast im Bundestag ist, wird die Bundesrepublik zur Sonnenrepublik. Der Staat sind wir.
Der Kampf mit der Klimaanlage im Bus auf der Heimfahrt kostete alle viel Schweiß und Nerven, wurde aber unter allgemeinem Durchatmen doch noch glimpflich von unserem tollen Busfahrer gelöst. So konnten alle an hüpfendes Ziegenvolk und frische Luft denken und den interessantem sowie informativen Tag entspannt zurückgelehnt Revue passieren lassen.
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Veröffentlich in der Kategorie "Gymnasium" am 08.06.2019