Haberl, Herbert: Montessori und die Defizite der Regelschule,
Herder-Verlag Freiburg 1993,
ISBN 3-210-25090-1
Heiland, Helmut: Maria Montessori,
Rowohlt Taschenbuchverlag Verlag, Reinbeck bei Hamburg 1997,
ISBN 3-499-50419-7
Ludwig, Harald (Hrsg.): Erziehen mit Maria Montessori,
Ein reformpädagogisches Konzept in der Praxis, Herder-Verlag Freiburg 1997,
ISBN 3-451-26390-4
Maier-Hauser, Heidi: Lieben - ermutigen - loslassen,
Erziehen nach Montessori, Beltz Verlag, Weinheim 2000,
ISBN 3-407-22816-3
Montessori, Maria: Kinder richtig motivieren,
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Montessori, Maria; bearbeitet von Helene Helming: Kinder sind anders,
Die Grundlagen der Montessori-Pädagogik, dtv Taschenbücher 1997,
ISBN 3-423-36047-X
Montessori, Maria; Becker-Textor, Ingeborg (Hrsg.): Lernen ohne Druck,
Schöpferisches Lernen in Familie und Schule, Herder-Verlag Freiburg 2002,
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Oswald, Paul; Schulz-Benesch, Günter: Grundgedanken der Montessori-Pädagogik,
Aus Maria Montessoris Schrifttum und Wirkkreis, Herder-Verlag Freiburg 2002,
ISBN 3-451-21626-4
Montessori, Maria; Schulz-Benesch, Günter (Hrsg.): Spannungsfeld Kind - Gesellschaft - Welt,
Auf dem Weg zu einer kosmischen Erziehung, Herder-Verlag Freiburg 1979,
ISBN 3-451-18490-7
Wenn Kinder alles besser wissen
Angenommen eine Froschmutter würde ihren kleinen Kaulquappen im Teich sagen: "Kommt heraus aus dem Wasser, atmet die frische Luft ein, vergnügt euch im grünen Gras, dann werdet ihr alle zu starken, gesunden, kleinen Fröschen heranwachsen. Kommt schon mit, Mutter weiß es am besten!" Wenn dann die kleinen Kaulquappen versuchten zu gehorchen, würde es gewiss ihr Ende bedeuten. Und doch ist dies die Art, wie viele von uns versuchen, ihre Kinder zu erziehen. Wir sind darauf bedacht, sie zu intelligenten und nützlichen Bürgern zu machen, die guten Charakter und gute Manieren an den Tag legen. Und so verwenden wir viel Zeit und Geduld darauf, sie zu korrigieren, ihnen zu sagen: "Dies tu, und dies lasse!" Und wenn sie fragen: "Warum, Mammi?" - dann halten wir nicht inne, um zu bedenken, warum wir eingreifen, sondern schieben sie beiseite mit dem Wort: Mutter weiß es am besten: Wir sind genau in der selben Position, wie der törichte Frosch, wenn wir es nur sehen könnten. Dieses kleine Leben, das wir zu modellieren versucht sind, braucht kein Drängen und Quetschen, kein Verbessern und Bemäkeln, um seine Intelligenz und seinen Charakter zu entwickeln. Die Schöpfung achtet auf die Kinder ebenso, wie sie dafür sorgt, dass die Kaulquappe zu einem Frosch wird, wenn die Zeit dazu da ist.
"Aber", hörte ich Sie sagen, "sollen wir die Kinder tun lassen, was sie wollen? Wie können sie wissen, was das Beste für sie ist, wenn sie keine Erfahrung haben? Und denken sie, was für kleine Wilde sie würden, wenn wir sie nicht Manieren lehrten -." Und ich würde antworten: "Haben sie ihren Kindern auch nur an einem Tag die Chance gegeben zu tun, was sie möchten, ohne, dass Sie sich einmischten?" Versuchen Sie es, und Sie werden erstaunt sein. Warten Sie und beobachten Sie, wie etwas ihr Interesse einfängt. Vielleicht sehen die Kinder Sie einen Schlüssel im Schloss drehen und wollen das auch tun. Oder sie wollen ihnen fegen helfen. Oder sie möchten ein paar niedliche kleine Muster mit Steinchen auf ihren sauberen Flur legen. Und an jedem gewöhnlichen Tage würden sie sagen: "Seid nicht im Weg, spielt mit euren Spielsachen!"
Aber heute geben Sie ihnen den Schlüssel, suchen einen kleinen Besen zum Fegen, lassen sie das Muster auf den Flur legen und sehen, wie sie davon gefesselt werden. Es ist oft nicht genug für Kinder, etwas ein- oder zweimal zu tun, sondern sie wollen die gleiche Handlung wieder und wieder ausführen, bis sie einen inneren Drang gesättigt zu haben scheinen. Sie werden überrascht sein, wie sie vor Unfug bewahrt sind, wenn sie sich mit etwas beschäftigen dürfen, was sie wirklich interessiert. Aber wenn Sie ungeduldig eingreifen, irgendeine fesselnde Beschäftigung unterbrechen, zerstören Sie die Konzentration und Ausdauer Ihres Kindes - wertvolle Lektionen, die es sich selbst erteilt. Es wird unbefriedigt sein, ein Gefühl der Enttäuschung und Ruhelosigkeit wird es erfüllen. Und sehr wahrscheinlich wird sich das Kind in bewusstem Unfug Luft machen. Und das ist diese Lästigkeit, die wir so befürchten, falls wir die Kinder nicht korrigieren würden? Wir sagen, wir verbesserten sie zu ihrem eigenen Wohle, und meistens glauben wir das auch ehrlich. Aber es ist merkwürdig, wie oft das, was wir zu ihrem Besten ansehen, zugleich mit unserer eigenen Bequemlichkeit übereinstimmt: wir sind alle so eifrig mit unserem erwachsenen Frosch - Werk beschäftigt, dass wir vergessen, dass die kleinen Kaulquappen ihr eigenes Werk zu verrichten haben, das Werk, zu Männer und Frauen zu werden. Und das ist die Arbeit, die nur sie selbst tun können.
Die größte Hilfe, die wir ihnen zu bieten vermögen, ist, uns ruhig in Bereitschaft zu halten und dafür zu sorgen, dass sie frei sind, sich in ihrer eigenen Weise zu entwickeln. Wir können anderseits ihre Arbeit sehr erschweren. Wenn wir beharrlich sagen "Mutter weiß es am besten" und uns bemühen, ihren aufwachsenden Verstand und Charakter nach unseren eigenen Maßstäben zu formen, werden wir nur die Zerstörung der Selbstbildung erreichen. Wir werden dann die Konzentrationskraft des Kindes dadurch brechen, dass wir seine Aufmerksamkeit auf Gegenstände fixieren, die es noch nicht interessiert. Und es wird tückisch werden, wenn wir zu streng darauf bestehen. Aber wenn wir unsere ganze Haltung ändern und uns selbst sagen: "Das Kleinkind weiß, was das beste für es ist. Lasst uns selbstverständlich darüber wachen, dass es keinen Schaden erleidet. Aber statt es unsere Wege zu lehren, lasst uns ihm Freiheit geben, sein eigenes kleines Leben nach seiner eigenen Weise zu leben." Dann werden wir, wenn wir gut beobachten, vielleicht etwas über die Wege der Kindheit lernen.
Dies ist eine neue Weise, das Problem der Verantwortung zu betrachten, die so schwer auf vielen Eltern lastet. Viele von uns, die versucht haben, die Wege der Kindheit von den Kindern her zu lernen, statt sie aus ihren eigenen Ideen abzuleiten, waren überrascht von den Entdeckungen, die sie machten. Es gibt einen Punkt, in dem wir alle übereinstimmen - Kinder leben in einer Welt ihrer eigenen Interessen, und das Werk, das sie dort verrichten, muss respektiert werden. Denn obwohl viele kindliche Aktivitäten Erwachsenen zwecklos scheinen mögen, benutzt sie die Schöpfung zu ihren Zwecken. Sie baut Geist und Charakter ebenso auf wie Knochen und Muskeln. Die größte Hilfe, die sie Ihren Kindern geben können, ist Freiheit, ihre eigene Arbeit in ihrer eigenen Weise anzupacken, denn in dieser Materie kennt sich Ihr Kind besser aus als sie.
[Montessori, Maria: Spannungsfeld Kind - Gesellschaft - Welt, S.12ff.]