Maria Montessori (1870-1952)
1870 |
in Chiaravalle bei Ancona geboren, bald Umzug nach Rom | |
1896 | promoviert als erste Frau Italiens zum Dr. med. | |
1896 bis 1898 | Assistenzärztin in der Kinderabteilung der Psychiatrischen Uniklinik in Rom | |
1898 bis 1900 | Direktorin eines Heilpädagogischen Instituts im Rom | |
1907 | Eröffnung des ersten Kinderhauses im Elendsviertel St. Lorenzo in Rom | |
1909 | erster internationaler Kurs zur Einführung in die Montessori-Pädagogik | |
1913 bis 1949 | Vortragsreisen, Kurse u.a. in Europa, Nord- und Südamerika, Indien | |
1949 | Umzug nach Holland | |
1952 | in Noordwijk aan Zee gestorben |
Maria Montessori wird am 31. August 1870 in Chiaravalle bei Ancona geboren. Als behütetes Einzelkind wächst sie in einem liberal-religiösen Elternhaus auf. Ihr Vater, Alessandro Montessori, und ihre Mutter, Renide Stoppani, zählen zur politischen Elite Italiens. Die Mutter vor allem denkt liberal, fördert die extravaganten Wünsche ihrer Tochter nach einer für ein Frauenleben damals sicher ungewöhnlichen wissenschaftlichen Bildung. Maria ist kein frühreifes Kind, und in den ersten Schuljahren tut sie sich nicht hervor. Eine Zeitlang will sie Schauspielerin werden und denkt zunächst nicht an eine akademische Laufbahn. Zu ihrer Persönlichkeit gehört schon früh eine gewisse Autorität und eine willensstarke, manchmal vorlaute Ausdrucksweise. Bei einem Rückblick auf ihre Schulzeit erinnerte sich Maria Montessori an eine Lehrerin, die ihre Schülerinnen die Lebensgeschichten bedeutender Frauen der Vergangenheit auswendig lernen ließ und sie aufforderte, ihren Spuren zu folgen und selber eines Tages berühmt zu werden. Die kleine Maria hatte auf diese Ermahnung geantwortet, ihr täten die zukünftigen Kinder zu leid, als dass sie der Reihe der Biografien noch eine hinzufügen möchte. Das Mädchen, das durch solche Geschichten hindurch schimmert, ist selbstsicher und willensstark. Früh zeigt Maria einen für ein junges Mädchen in der damaligen Zeit revolutionären Geist.
1875 besucht Maria die öffentliche Volksschule und wechselt später auf eine technisch-naturwissenschaftliche Schule. Maria möchte Medizin studieren, wird jedoch an der Universität abgewiesen. Gegen den Willen der Eltern studiert sie zunächst Ingenieurwesen und Mathematik. Nach Ablegen der Prüfungen erlangt sie die Berechtigung zur Aufnahme eines Medizinstudiums. Jedoch ist die Zeit ihres Studiums von großen Schwierigkeiten geprägt. Die Professoren ignorieren die junge Frau und Mitstudenten reagieren ablehnend, sogar boshaft. 1896 erreicht Maria Montessori ihr Ziel und schließt ihr Studium mit der Promotion ab. Sie ist die erste "Dottoressa" Italiens.
In den letzten beiden Jahren ihres Studiums arbeitet sie bereits als Assistentin an einer psychiatrischen Klinik. 1896 bis 1898 folgt eine Anstellung als Assistenzärztin in der römischen Universitätskinderklinik, Abteilung Kinderpsychiatrie. Und dort wächst ihr pädagogischer Tatendrang. Sie hat nicht nur Mitleid mit den dort eingepferchten und apathischen behinderten Kindern, sondern auch den Willen, ihnen zu helfen. "Man muss vielmehr verstehen, in der Seele des Kindes den darin schlummernden Menschen anzusprechen", schreibt sie. Im Umgang mit den geistig behinderten, kleinen Patienten erkennt sie den Tätigkeitsdrang und Eigenantrieb, der allen Kindern zu Grunde liegt. Sie ist der Überzeugung: "Das Problem dieser Kinder ist in erster Linie ein pädagogisches, nicht ein medizinisches". Sie stößt auf die Werke von J.G.Itard und E.Seguin, die beide davon überzeugt waren, behinderte Kinder durch besondere Förderung anregen zu müssen. Unter Einbringung dieser Sinnesmaterialien, in Kombination mit medizinischen Erkenntnissen, entwickelt sie eine pädagogische Methode, mit der sie in ihrer Arbeit als Dozentin an der Lehrerbildungsanstalt und Direktorin eines heilpädagogischen Instituts in Rom (1898 - 1900) beachtliche Erfolge erzielt. Ihre Zöglinge leisten oft bereits nach zwei Jahren genauso viel wie gesunde Kinder und können die Regelschule besuchen. Maria Montessori beginnt sich zu fragen, was am "normalen" Schulsystem so falsch sein könne, dass geistig gesunde Kinder derartig schwache Leistungen erbringen.
Maria Montessori geht eine Beziehung mit dem angesehenen Arztkollegen Dr. Giuseppe Montesano ein. Ihr einziges Kind, Sohn Mario, wird im März 1898 geboren. Da die Geburt eines unehelichen Kindes damals das totale Ende ihrer Arbeit bedeutet hätte, entschließt sie sich, es auf dem Land bei einer Pflegefamilie aufwachsen zu lassen. Nach der Trennung von Montesano verlässt sie das Institut und studiert Anthropologie und Psychologie. 1904 wird sie zur Professorin für Anthropologie an der Universität Rom ernannt.
Maria Montessori folgert aus ihren Erkenntnissen heraus, dass mit Hilfe ihrer Unterrichtsmethode alle Kinder ungleich besser gefördert werden könnten, als es bisher der Fall war. 1907 wird sie von der italienischen Regierung damit beauftragt, das erste Kinderhaus in San Lorenzo, einem Vorort von Rom, zu "beaufsichtigen". Im "Casa dei bambini", dem Kinderhaus, das in einem sozialen Brennpunkt Roms entsteht, findet Maria Montessori das erste Experimentierfeld für eine Pädagogik, die vom Kind ausgeht. Hier entstehen die Buchstaben aus Sandpapier, der Schleifenrahmen, der Steckkasten, die Farbtäfelchen, das Lernmaterial, das bis heute in jedem Montessori-Kindergarten zu finden ist. Sehr schnell spricht sich in Rom das Kinderhausmodell herum, da die Kinder nicht geahnte Fortschritte machen mit Erfolgen, die den "unterprivilegierten" Kindern vorher nicht zugetraut wurden.
In ihrer pädagogischen Auffassung orientiert sich Maria Montessori an bestimmten Prinzipien, die für die damalige Zeit geradezu revolutionär waren, und die sicherlich den Erfolg der Montessori-Pädagogik bis heute erklären. 1909 veröffentlicht sie ihr Hauptwerk "Il metodo". Da ihre pädagogische Arbeit immer größer wird, mehr und mehr Besucher empfangen werden wollen, Briefe auf ihr Beantwortung warten und viele Menschen in Kursen mehr über ihre Methode erfahren wollen, beschließt Maria Montessori im Alter von vierzig Jahren, ihre ganze Kraft ausschließlich ihrer "Bewegung" zu widmen. Mit der für sie typischen Konsequenz gibt sie ihre Dozentur und ihre Privatpraxis auf und versucht von da an, mit Vorträgen, Ausbildungskursen, Büchern, ihren Unterhalt zu verdienen.
Von 1913 an reist sie in viele Länder der Erde. In Europa, Amerika und Indien hält sie Vorträge. Im gleichen Jahr hält sie den ersten internationalen Lehrgang in der Ausbildung von Lehrkräften in ihrer Methode. Diese setzt sich immer mehr durch und fast überall in Europa und Amerika entstehen Montessori-Schulen nach ihrem Vorbild. 1922 wird sie zum Regierungsinspektor der Schulen Italiens ernannt.
Die Entwicklung der Montessori-Pädagogik wird immer wieder durch totalitäre Regime, wie in der Sowjetunion, Italien, Spanien und Deutschland unterbrochen. In der Zeit des Nationalsozialismus werden in Deutschland alle Montessori-Einrichtungen geschlossen. Die politische Situation in Europa vor dem ersten Weltkrieg bewegt Maria Montessori, 1916 ihren Wohnsitz nach Spanien zu verlegen, doch sollte das nicht der einzige Umzug in ihrem Leben bleiben. Vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges zieht sie von Spanien nach Holland, und nachdem dort die Deutschen einmarschieren, geht sie auf eine Einladung früherer Mitarbeiter nach Indien. Dort leitet sie in Adyar eine nach ihrer Methode der Selbsterziehung eingerichtete Schule. 1947 kehrt Montessori nach Europa zurück. Bis zu ihrem Lebensende wohnt sie in Nordwijk aan Zee, wo sie am 06. Mai 1952 stirbt.