„Afrikanischer Orient“ in der Montessori-Schule
Eins, Zwei, Drei, Vier, FÜNF, SECHS. Eins, Zwei, Drei, Vier, FÜNF, SECHS. Die Kinder fassen sich an den Händen, laufen gegen den Uhrzeigersinn im Kreis wobei sie jeden Schritt im Stillen zählen und nur den Fünften und Sechsten laut ausrufen. Dabei tippen sie lediglich mit der Fußspitze rechts und links vom Standbein auf den Boden. Aus einem kleinen CD-Player in der Ecke der Turnhalle der weiterführenden Schule donnert arabische Pop-Musik. Zufrieden lächelt Omar. Er läuft innerhalb des Kreises mit den Kindern mit und korrigiert an manchen Stellen den Rhythmus. Mit ausladenden Gesten animiert er die Schüler, macht seine Späße und entlockt so dem einen oder andere Tänzer ein Lächeln.
Es ist die Woche vor Ostern. Die Grundstufe hat eine Afrikawoche ausgerufen. In vielen Projekten und Stationen beschäftigen sich die Kinder mit dem großen Kontinent, erstellen Karten, befassen sich mit dem Klima, der Vegetation, geografischen Merkmalen, den Tieren sowie dem Menschen und seiner Kultur. Ein besonderes Highlight bildet ein Workshop mit dem rätselhaften Namen „Orientalischer Tanz“. Vorstellungen von verschleierten Frauen, die ihre Bäuche im Rhythmus der Musik tanzen lassen, kommen den Kindern in den Sinn und wecken wenig Begeisterung im Vorfeld dieses Tages.
Omar ist der geborene Animator, ein Anheizer, der weiß, wie er die Kinder motivieren kann. Er ist in Syrien geboren und seit achtzehn Jahren in Deutschland. Bereits in Syrien hat er mit Schülern gearbeitet. Er war Fitnesstrainer. Der Tanz dagegen liegt ihm im Blut. Das sieht man, wenn sein Fuß bei der Musik von allein zu stampfen beginnt. Kurze Verschnaufpause. Der Tanz wird um eine weitere Bewegung erweitert. Auf der Stelle wird nun eine Sprungkombination ausgeführt, die es in sich hat. Während der rechte Fuß auf dem Boden bleibt, schwingt der linke Fuß leicht verzögert von hinten nach vorn über den Boden, das Knie wird angezogen und dabei springt man leicht mit beiden Füßen vom Boden ab. Diese Übung wird immer wieder geübt, dann mit Musik ausgeführt und später in den Tanz eingebunden. Richtungswechsel und Schritte im Kreis. Dieses mal bis sechs und bei SIEBEN und ACHT mit dem Fuß rechts, links tippen.
Afrikaprojekt und Syrien? Soviel haben die Kinder bereits gelernt, da passt etwas nicht zusammen im geografischen Fundament. Der Kontakt kam über einen Pädagogen der Schule zustande. Besonders in den Ländern Nordafrikas gibt es Parallelen zur syrischen Musik und zum orientalischen Tanz. Unterschiede gibt es zum Beispiel bei den Instrumenten. Afrikanische Trommeln sind meist aus Holz und mit Tierhäuten bespannt. Die Trommel Omars ist aus Aluminium und mit Kunststoff überzogen. Ihr Klang ist heller und nicht so dumpf wie der der Afrikanischen. Am Ende spielt es jedoch keine Rolle. Der Spaß steht im Vordergrund und den haben die Kinder.
Mit klassischem Bauchtanz hat das, was die Kinder machen, nichts zu tun. Omar erzählt, dass es sich um traditionelle Tänze aus Syrien und Palästina handeln, die oft auf großen Festen, wie zum Beispiel Hochzeiten, zusammen getanzt werden.
Die zweite Runde ist eine Trommeleinheit. Zirka die Hälfte der Kinder sitzen an afrikanischen Trommeln. Omar hält seine kleiner Trommel aus Syrien unter dem Arm und gibt den Takt vor. Bald entsteht eine Art Wechselspiel, als würde Omar mit der Trommel in den Raum rufen und die Kinder antworten ihm mit den Bongos. Die Schüler, die gerade kein Instrument haben, bilden eine dritte Gruppe, indem sie in die Hände klatschen. Später wird gewechselt. Bald schwillt der Rhythmus an, wird lauter und schneller. Immer heftiger treibt Omar die Kinder an, die wilder und ekstatischer auf ihre Trommeln schlagen. Schließlich ist der letzte Ton verhallt und die Schüler sitzen erschöpft auf der Bank. Omar ist besorgt über die Kondition. Kinder müssen sich bewegen. Radfahren, Laufen, so viel wie möglich. Jeden Tag, ermahnt der ehemalige Fitnesstrainer.
Nach einer kurzen Pause gibt es noch eine Tanzeinheit, die gelernten Schritte zu wiederholen. Dann ist der Kurs zu Ende. Die anfängliche Skepsis ist verflogen. Die Kinder sind sich einig. Das ist kein albernes Tanzen, sondern das Eintauchen in eine fremde Kultur. Das wollen sie unbedingt wiederholen. Unser Dank geht an Kais und Omar für diese Erfahrung.
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Veröffentlich in der Kategorie "Secondary school", "Gymnasium" am 03.05.2017